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Am Fels mit Lena Müller

Sie ist Ökologin, Klimaaktivistin und klettert richtig stark! Was liegt da näher, als sich für klimafreundliches Klettern einzusetzen? ORTOVOX Athletin Lena Müller hat das Auto weitestgehend aus ihrem Sport verbannt und erreicht ihre Kletterziele mit Bus, Bahn und/oder Fahrrad. Das funktioniert so gut, dass sie die öffentlich erreichbaren Kletterziele mittlerweile in einem Guidebook gesammelt hat. Das Schuster Nachhaltigkeitsteam hat sich mit Lena am Fels getroffen – zum Kletter-Interview.

von SPORT SCHUSTER

Lena Müller klettert am Fels

Gemeinsames Ziel war ein schöner kleiner Klettergarten im Werdenfelser Land, der Treffpunkt Farchant. Warum? Weil der ganz ideal von München und ebenso von Lenas Wahlheimat Innsbruck mit der Bahn erreichbar ist. Also trafen sich die Beiden am Farchanter Bahnhof, zusammen mit Viola von ORTOVOX und André vom Schuster, bei schönstem Frühsommer-Wetter. Die Chemie stimmte sofort. Bereits auf dem Weg zum Felsen gab es viel zu ratschen, ebenso während der Vorbereitung und in den Pausen. Nur beim Klettern war natürlich Konzentration angesagt, wobei das alles eh total souverän abliOrtovox Fotograf war fast vergessen.

Zwei Frauen schauen sich die Felsen an

12 Fragen an Lena Müller

Hi Lena, freut uns, Dich kennenzulernen. Erzähl uns doch ein wenig von Dir, wer bist Du, was machst Du?

Hallo, danke für die Einladung! Ich komme ursprünglich aus dem Allgäu und wohne derzeit in Innsbruck, dort promoviere ich an der Universität im Bereich Ökologie über die Auswirkungen der Klimakrise auf Bergregionen. Nebenher bin ich Selbständig und schreibe beispielsweise Artikel und halte Vorträge – der Fokus liegt dabei auf Vermittlung von Wissen über die Klimakrise sowie dem Thema “klimafreundliches Klettern”. Zudem engagierte ich mich ehrenamtlich bei Scientists for Future Österreich

Entspannte Frauen am Einstieg

Wie bist Du zum Klettern gekommen?


Als Kind bin ich mit meinen Eltern und meiner Schwester gemeinsam geklettert. Später dann, als Jugendliche, war ich viel mit meinem besten Freund an den Felsen bei uns im Allgäu. Aber ich habe damals auch viele andere Sportarten betrieben. Erst als ich dann zum Studieren nach Innsbruck gezogen bin hat sich der Fokus verschoben - und ich war hauptsächlich Klettern.

Als Ökologin mit Schwerpunkt Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Berge - sag uns die schonungslose Wahrheit: wie besorgniserregend stehen die Zeichen?


Der Alpine Raum ist außerordentlich stark von der Klimakrise betroffen und die Auswirkungen sind sehr besorgniserregend. Das zukünftige Ausmaß hängt dabei sehr stark von der Politik in diesem Jahrzehnt ab, denn diese wird entscheiden, ob die Erderhitzung bis Ende des Jahrhunderts auf 1.5 Grad begrenzt werden kann. Das sind aber auch gute Neuigkeiten, denn sofern die Politik schnell und entschieden handelt, können wir die Auswirkungen noch begrenzen!

Die Finger werden mit Tape vorbereitet

Wie werden sich die heimischen Berge in den kommenden Jahren verändern und wie werden wir das zu spüren bekommen?


Die höheren Temperaturen in den Bergen haben beispielsweise Auswirkungen auf Flora und Fauna, Arten werden weiter aussterben, der Permafrost taut auf und die Schneehöhe und die Schneedeckendauer verkürzt sich, vor allem in niedrigeren Lagen. Zudem hat das Abschmelzen der Gletscher Auswirkungen auf die Wasserversorgung, und Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürreereignisse und Starkniederschläge werden zunehmen. Diese extremen Niederschläge können beispielsweise Murenabgänge verstärken und dadurch den Siedlungsraum bedrohen.

Lena Müller

"Refuse, reduce, reuse, recycle."


Wie passen Nachhaltigkeit und Bergsport für Dich zusammen? Eigentlich müssten wir doch in vielen Bereichen darauf verzichten in die Berge zu gehen?

Das ist eine wichtige Frage. Es stimmt, dass in den verschiedenen Bergsportarten die Masse an Menschen mittlerweile ein großes Problem ist. Denn mit der zunehmenden Beliebtheit des Sports hinterlassen wir immer mehr Spuren in der Natur. Ich denke, anstatt auf den Bergsport und die für uns wertvolle Erholung zu verzichten, müssen wir alle einen Schritt zurücktreten und uns fragen, wie wir selbst die vielfältigen Aspekte der Nachhaltigkeit in unseren Sport integrieren können. Das kann beispielsweise eine klimafreundliche Anreise sein, ein verantwortungsvoller Konsum und ein achtsamer und respektvoller Umgang mit der Natur. Ein nachhaltigerer Bergsport ist dringend nötig, damit noch viele Generationen nach uns den Lebensraum Berg genießen können.

Lena Müller klettert los

Thema nachhaltig Einkaufen: Worauf sollen unsere Kund*innen beim Kauf von Sportbekleidung achten?


Ich denke am wichtigsten ist es, so wenig wie nötig zu konsumieren. Frei nach dem Motto: refuse, reduce, reuse, recycle. Aber wenn es doch mal etwas Neues sein soll, kann man darauf achten, dass es verhältnismäßig nachhaltig ist: Wo wurde produziert? Welche Materialien wurden verwendet (Bio-Baumwolle / Wolle / PFC-freie Imprägnierung)? Wie sind die Arbeitsbedingungen an den Produktionsstätten? Hier ist das Gütesiegel der Fair Wear Foundation ein guter Hinweis.

Welche persönlichen Maßnahmen kann jede/r Einzelne ergreifen, um unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren? 


Da gibt es viele Bereiche: eine vorwiegend vegetarische oder vegane Ernährung, klimafreundliches Wohnen, ein nachhaltiger Konsum, mehr Zeit im Zug und auf dem Fahrrad anstatt im Auto oder Flugzeug, sein Geld nachhaltig anlegen und sich für einen politischen Wandel einsetzen – sich engagieren, klimabewusst wählen und zu den Klimastreiks gehen. 
Theresa klettert am Fels nach

Was wäre für Dich eine schöne Vision für nachhaltigen Bergsport?


Das ist eine sehr schöne Frage, weil sie die Aufmerksamkeit auf das lenkt, was möglich ist! Ein nachhaltiger Bergsport ist für mich das Zusammenspiel aus, einerseits, den Bergsportler:innen – wie ich schon beschrieben habe gibt es viele Möglichkeiten, unser Handeln neu auszurichten - und auf der anderen Seite weiteren Akteur:innen, die dieses Handeln unterstützen und prägen: Seien es die Produkte, welche von Bergsportfirmen zur Verfügung gestellt werden. Oder die Vorbilder und Werte, welche durch diese Firmen gezeichnet werden. Oder die Tourismusverbände, welche eine sanfte Mobilität fördern und sich für eine regionale Wertschöpfung einsetzen. Oder Politik, welche klimafreundliches Handeln unterstützt. All das zusammen genommen wäre für mich ein nachhaltiger und gesamtheitlicher Bergsport, mit welchem wir die Natur schützen und für zukünftige Generationen erhalten.
Lena Müller klettert weiter nach oben am Fels

"Man hofft einfach, dass alles hält. "


Nun will ich aber auch noch was zum Klettern wissen. Du hast mit „Prinzip Hoffnung“ als vermutlich erste Deutsche eine Trad-Route im Schwierigkeitsgrad E9 geklettert. Sie gilt als besonders heikel abzusichern. Warum hast Du Dir genau diese Route ausgesucht? War der Name Programm?

Die Idee diese Tour zu klettern entstand in einer Zeit, in der ein großer Umbruch in meinem Mobilitätsverhalten stattgefunden hat. Ich bin damals viel mit meinem Bus unterwegs gewesen und bin irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem mir bewusst wurde – bis hier her und nicht weiter! Ich möchte anders Klettern gehen. Ich möchte Wege finden, wie das Klettern für mich nachhaltiger werden kann. Ich habe damals dann Kletterführer nach Gebieten durchforstet, welche in der Nähe von Bahnhöfen liegen. Und dann war auf einmal die Idee da, diese Tour zu projektieren, denn sie hat sich aufgrund der Nähe zum Bahnhof einfach angeboten. Und dazu kommt, dass es eine absolute Traumroute für mich ist! Ja, der Name ist definitiv Programm – die Schlüsselstelle ist schlecht abzusichern und die die Tritte und Griffe sind sehr klein – man hofft einfach, dass alles hält!

Warum Trad?


Mir gefällt das Tradklettern so gut, weil es eine mentale Herausforderung ist. Das hat einen Mehrwert für mich, denn anders wie beim Sportklettern geht es nicht nur um die reine Kraft. Außerdem finde ich es schön, dass es keine Bohrhaken gibt. Man lässt nichts am Felsen zurück. Es ist ganz natürlich. Am besten gefallen mir beim Tradklettern Risse – das sind einfach geniale Linien!

Hast Du am Fels ein aktuelles Wunschprojekt für 2022?


Momentan noch nicht. Ich habe zwar ein paar Ideen aber ich möchte schauen, wie sich diese dann in der Praxis anfühlen, wie sich dieses Jahr entwickelt und wie viel Zeit ich für das Klettern finde. 
Lena Müller winkt von oben

Und in der Ökologie?


Mein Wunsch ist es, mein erstes Paper zu veröffentlichen an dem ich die letzten 2,5 Jahre gearbeitet habe. Momentan stecke ich mitten im Review-Prozess, bei dem Fachkolleg:innen meine Arbeit begutachten – ein Verfahren zur Qualitätssicherung beim wissenschaftlichen Publizieren. Wenn wir das Paper veröffentlicht haben, wäre ein großer Teil meiner Doktorarbeit geschafft – das würde mich richtig freuen!

Cool! Danke Lena, für den schönen Tag am Fels und Deine Zeit. Viel Erfolg bei allen Projekten! Wir werden sicher noch viel von Dir hören.

Die Mädels verabschieden sich

Klimafreundlich Klettern 


Lena hat gemeinsam mit Deniz Scheerer viel Mühe investiert und ein Guidebook zur Anreise mit Bus, Bahn und Rad für Tirol verfasst. Es ist hier in Kürze kostenlos und digital zu bekommen >>Klimafreundlich Klettern und bietet genügend Routen und Gebiete für sehr viele nachhaltige Klettertrips.