Die Färöer - Steile Inseln im Nordmeer
Als Erster überhaupt, gemeinsam mit seinen Best-Buddies und Kletterpartnern Yuji Hirayama und Cedar Wright. Ehefrau Caroline Ciavaldini war auch mit von der Partie. Zwar nicht im brüchigen Fels, aber dafür 14 Stunden am Gipfel des Seacliffs ausharrend.
Aber betrachten wir zunächst das Inselarchipel im Nordatlantik etwas näher …
Die Färöer Inseln im Überblick – von Beschwerlichkeiten und Eigenheiten
Um es vorneweg zu nehmen: Nein, die Färöer-Inseln werden nicht das zweite Kalymnos, auch nicht das nächste Boom-Wanderparadies in dem sich Outdoor-hungrige Wanderer über ausgelatschte Pfade hinwegbewegen. Die Färöer werden einsam bleiben, einzig ein paar Kreuzfahrtschiffe machen im Sommer fest und spucken für ein paar Stunden Besucher aus dem Schiffsbauch – aber spätestens zum Abendessen herrscht auf den Inseln wieder Ruhe. Und weil die Färöer nicht in den warmen Tropen liegen, ist auch der Kreuzfahrer-Hype erträglich, denn das Archipel liegt zwar am Golfstrom, der für milde Winter sorgt, aber halt auch für sehr milde Sommer (die Durchschnittstemperatur im August liegt bei zirka 12 Grad Celsius). Für die zirka 45.000 Bewohner verteilt auf 18 Inseln ist das Fluch und Segen zugleich – für Naturliebhaber, die eine ursprüngliche Landschaft erleben wollen: das Paradies auf Erden!
Karge Böden und zermürbender Wind
Das Leben auf den Inseln ist beschwerlich, auch im 21. Jahrhundert. Der Boden karg, der Wind mitunter zermürbend. Kein Baum schafft es auf der Insel Wurzeln zu fassen und zu gedeihen. An Gemüse können nur Kartoffeln und Rüben angebaut werden – bei Karotten hört der Gartenspaß schon wieder auf, nur alle 3 Jahre haben Tourguide Jóhannus Hansen und seine Familie Glück und ergötzen sich an ein paar selbstgezogenen gelben Rüben, wie er auf einer Wanderung erklärt. Und so müssen Obst und Gemüse teuer per Schiff und Flugzeug importiert werden. Zumindest ist das in der heutigen Zeit überhaupt möglich – das Leben vor 50 oder gar 100 Jahren muss sehr entbehrungsreich und beschwerlich gewesen sein. Die Feringer, wie sich die Färöer-Inselbewohner nennen, lebten von Fischfang und Viehzucht (Schafwolle). Der Speiseplan war eintönig: Frischer Fisch, gedörrter Fisch, wenn geschlachtet wurde ein Stück frisches Fleisch, ansonsten auch dieses nur fermentiert, sprich über Monate an der Luft getrocknet. Ansonsten gingen und gehen die Insulaner auf Seevogel-Jagd und Walfang. Zwei Bereiche, die in der heutigen Zeit zumeist auf wenig Gegenliebe stoßen. Anderseits sagen die Feringer ganz deutlich: Walfleisch hat ihnen das Leben gerettet, es gehört zu ihrer Tradition und Geschichte, genau wie der Verzehr und die Jagd von Seevögeln. Alle 3 Jahre gehen die Insulaner auf Vogeljagd. Danach herrscht wieder Ruhe, die Bestände können sich erholen, so gut, dass Jóhannus stolz von der größten Papageitaucher-Kolonie Europas berichtet. Sie lassen sich bei diesen Themen nicht beirren, man könnte fast dazu neigen zu behaupten: sie sind stur.
Schafshintern justieren sich im Minutentakt an wechselnden Windrichtungen
Das jahrhundertlange beschwerliche, karge Leben auf den Inseln hat die Menschen geprägt. Die Insulaner sind wie ihre Eilande: eigen, individuell und von rauer Schönheit. Nur die Schafe toppen das Ganze an Eigenwilligkeit, sie scheren sich einen Teufel über Zäune, Gatter und Co. Sie grasen wo es ihnen passt. Wetterkapriolen hin oder her, dann wird der Schafshintern im Minutentakt nach den wechselnden Windrichtungen justiert. Und ein bisschen kupfern Mensch und Vieh bekanntlich immer voneinander ab – vor allem in einem langen beschwerlichen Leben mitten im Nordatlantik. Mensch und Tier haben gelernt mit dem Wetter zu leben, das schon mal vier Jahreszeiten in einer Stunde abhandelt, wo der Wind die Landschaft immer weiter formt. Wo die Winter zwar nicht besonders kalt aber regnerisch und dunkel sind. Wo die Sommer zwar nicht mediterran-heiß, aber die Tage dafür lang sind. Und dann feiern die Feringer! Sich und das Leben, das Vieh und die Natur. Sie feiern, wie die Feste fallen – und bis dahin wird im praktischen Wärme-Overall oder Friesennerz dem Wetter getrotzt und gesungen! Die Insulaner lieben es zu singen, was vermutlich damit zusammenhängt, das sie bis ins 18. Jahrhundert keine Schrift hatten. Sie kommunizierten tanzend und singend miteinander und untereinander.
Neben der Musik lieben die Feringer den Tauschhandel, wie in alten Zeiten. Lediglich 10 bis 20 Prozent kaufen die Insulaner, nach eigenen Angaben, in einem Geschäft. Der Großteil wird auch heute noch mit den Nachbarn getauscht und gehandelt. Ein schöner dicker Lachs wechselt hier gegen ein Stück Dörrfleisch den Besitzer, Kartoffeln für Dorsch und so weiter und so weiter …
Aber was hat das alles mit Klettern zu tun?
Nicht viel, oder alles. Denn ohne die Idee des britischen Kletterers James Pearson, das wohl höchste Sea Cliff der Welt, das 750 Meter herausragende Cap Enniberg auf der Viboy Insel zu klettern, würden die Färöer weiterhin im Tiefschlaf zumindest bei der Autorin dieses Textes vor sich hinschlummern. Der Brite ist, nach eigenen Angaben, schlechten Fels von seiner Heimat gewohnt, aber die Färöer haben auch ihn zuweilen das Fürchten gelehrt. Nicht weil es so ein harter Klettergrad war, den es zu meistern galt, sondern weil es brüchig war, schlecht zu sichern, weil Seevögel sich bedroht fühlten und die Kletterer ankotzten, mit einem stinkenden, schleimigen Brei, dessen Geruch sich in der Nase festsetzte – und auf Cedar´s Brille …
Der Profisportler und The-North-Face-Athlet Pearson jagt nicht den Attributen „höher, weiter, schneller“ hinterher. Er sieht sich und seine Frau Caroline Ciavaldini als Abenteuerkletterer, auf der Suche nach außergewöhnlichen Kletter-Spots. Klettern, das ist ihr Leben, aber eben nicht isoliert, nicht losgelöst vom Umfeld. Sie wollen Land und Leute erleben, verstehen und über die Schönheit der verschiedenen Flecken auf unserem Planeten aufmerksam machen. Einer davon sind die Färöer-Inseln.
Das Klettern am Cap Enneberg war aus rein Kletter-Genusstechnischen-Aspekten irrelevant. Irrelevant weil der Basalt nur teilweise gut war, sich immer wieder mit porösen Schichten abwechselte, die kaum eine Sicherung zuließen. Irrelevant, weil die letzten Meter über nasses Gras führten, das überhaupt keine Sicherung ermöglichte.
Die Schönheit und das Projekt lebt von den Inseln selbst und deren Bewohner mit all ihren Facetten und Eigenheiten, denen es anfangs suspekt war, wie man nur zum Spaß klettern gehen kann, und nicht um an Nahrung zu gelangen.
Land of Maybe
James Pearson hat seinen Film „Land of Maybe“ genannt. Deswegen, weil das ganze Project von so vielen „vielleichts“ abhängig war, die das Klettern ohnehin in die zweite Reihe verdrängten. Farmer sprachen ein Kletterverbot aus, um dieses nach viel diplomatischem Geschick wieder aufzuheben. Das Wetter: ein großes Maybe! Gute Vorhersagen sind hier so selten wie ein Sechser im Lotto mit richtiger Zusatzzahl. Aber die drei unerschrockenen Abenteurer haben sich durch jedes „Maybe“ hinweggesetzt, auch das 'maybe we will climb Cap Enniberg in about 4 hours' … Wie Cedar zu Beginn dachte. Geworden sind es dann 14 Stunden … Caroline wartete die gesamte Zeit am Gipfel des Caps. Während James im Vorstieg sich Sorgen machte um seine beiden Kletterpartner, dass er sie ja heil bis an den Gipfel führen kann. Caroline dachte derweil über ein 700 Meter Statikseil nach, für eine mögliche Rettung aus der Wand. Das alles erklären die beiden auf einer Wanderung bei Windstärke 5 (gefühlt 8) auf den Färöer-Inseln. Wahrlich ein Abenteuer, das nicht nach einer Wiederholung schreit, aber die Färöer Inselwelt definitiv dem Rest der Welt ein Stückchen näherbrachte. Letztlich ist das ganz im Sinne des Kletterprofis James Pearson und seiner Frau Caroline.
Dieses Jahr zieht es die beiden im Sommer zum Wasserfallklettern nach Japan. Das muss dort total IN sein – hat auch wieder nichts mit höher, weiter, schneller zu tun, aber dafür mit purem Abenteuer und vielen Erlebnissen rund um das Klettern.
5 Dinge die man auf den Färöer Inseln erleben sollte
1) Eine Wanderung zum Cap Enniberg. Auf der Insel Vidoy ganz im Norden des Archipels startet die Wanderung „Villingardalsfjall“. Die zirka 4 Stunden lange Tour ist als schwierig eingestuft! Die Graspfade sind steil und vor allem bei Nässe sehr anspruchsvoll. Im weiteren Verlauf der Tour wird es steinig und felsig mit leichten Klettereien. Dafür entlohnt der Blick auf die tief ins Meer abfallende Klippe „Enniberg“, und auch bis dorthin erleben Wanderer ein einzigartiges Bergpanorama.
2) Den längsten Tag des Jahres auf dem Gipfel des Slaettaratindur feiern. Am 21. Juni ist es Tradition auf den Slaettaratindur zu steigen und den Sonnenuntergang zu beobachten, gefolgt vom Sonnenaufgang, der nur wenige Stunden später beginnt. Die Wartezeit wird mit Gesang und Tänzen abgekürzt. Zu Essen gibt es traditionell Dörrfleisch, getrockneten Fisch und Walfleisch, dazu wird ein starker Kaffee getrunken.
3) Papageitaucher und Tölpel in freier Wildbahn auf der Tour Mykineshólmur erleben. Auf dieser Tour erleben Sie Papageitaucher hautnah, die lustig aussehenden Seevögel stehen mitunter direkt vor einem oder fliegen sehr nah an den Wanderern vorbei. Mykineshólmur und die vorgelagerten Felsen sind die einzigen Orte auf den Färöer Inseln wo Tölpel vorkommen. Mit einer Spannweite von 1,5 bis 2 Metern sind sie die größten Vögel der Färöer.
4) Das Dorf Gásadalur und sein atemberaubend schöner gleichnamiger Wasserfall, der direkt ins Meer stürzt. Das Dorf wurde erst im Jahr 2004 durch einen Tunnel mit dem Rest der Insel und auch der Welt verbunden. Bis dahin führte der Weg mühsam zu Fuß über einen Bergpass, weswegen es auch die Post nur einmal pro Woche ins Dorf und hinaus schaffte.
5) Eine Übernachtung im Gjáargarður Guesthouse of Gjógv. Auf der Insel Eysturoy gelegen, bietet das Guesthouse einen atemberaubenden Blick in die Bucht. Herrlich gelegen auf einem Plateau ist es der ideale Ort um ganz abzuschalten und Ruhe zu finden. Die Schafe begrüßen einen morgens direkt ab der Appartement-Tür. Fantastischer Ausblick vom Frühstücksraum.
Alle Wanderungen sind mit Kartenausschnitten und guten Beschreibungen im kostenlosen Wanderführer beschrieben, den es am Flughafen kostenlos gibt. „Wandern auf den Färöer Inseln“ von Visit Faroe Islands.
Unter www.visitfaroeislands.com gibt es viele Informationen zu Wanderungen, Events, geführten Touren. Sicherlich kann hierüber auch der Wanderführer bestellt werden.
Insgesamt ist es lohnend einen Tourguide vor Ort zu engagieren, da das Wetter sehr wechselhaft sein kann, und vor allem dichter Nebel, der aus dem nichts aufzieht, die Touren zuweilen sehr gefährlich macht.
Tourguides wie beispielsweise Jóhannus Hansen können über www.reika.fo gebucht werden.
Bekleidung:
Für das ganze Jahr gilt: Wärmejacke, Wind- und Regenjacke, Regenüberhose, stabile Bergschuhe, die vor allem auf nassem Fels und nassen Grashängen gut funktionieren. Mütze und Handschuhe sowie eine Thermoskanne mit Heißgetränk sind auch im August fester Bestandteil der Rucksackausstattung.
Die Athleten waren allesamt perfekt ausgestattet von The North Face.
Anreise:
SAS und Atlantic Airways fliegen täglich zum Beispiel von Kopenhagen oder Oslo auf die Färöer. Etwas länger dauert die Anreise mit der Fähre Smyril Line von Dänemark oder Island aus.
Auf den Inseln gibt es nur einen eingeschränkten öffentlichen Busverkehr. Es ist ratsam sich einen Mietwagen am Flughafen zu nehmen.
Insel-Hopping:
Die Inseln sind mit Brücken und Tunnelsystemen miteinander verbunden.
Unterkünfte:
Magenta Guesthouse/Insel Vágar. Sehr nettes kleines Guesthouse mit äußerst stilvoller Einrichtung.
Gjaargardur Guesthouse in Gjógv/Insel Eyssturoy. Atemberaubender Ausblick!
Bezahlung:
Auf den Färöer kann mit Dänischen Kronen gezahlt werden. Die Färöer gehören zur Dänischen Krone, sind aber grundsätzlich autonom. Das Preisniveau liegt etwas unterhalb von Norwegen und Island – den beiden Nachbarn des Archipels. Alkohol ist hingegen wie in den anderen skandinavischen Ländern sehr teuer – weswegen auch die Duty Free Shops mit alkoholischen Getränken vollgestopft sind.
Weitere Informationen gibt es unter: www.visitfaroeislands.com
Text: Susa Schreiner
Fotos: TNF / Will Lascelles, Cedar Wright