0 0
Aerobes Training vs. anaerobes Training

Sportkardiologe Prof. Dr. med. Axel Pressler erklärt die Unterschiede zwischen aeroben und anaeroben Training und welche Trainingsform für welches Ziel am besten geeignet ist!

von SPORT SCHUSTER

Zwei Läufer bei Sonnenaufgang im Park
Laufen ist das perfekte Ausdauertraining für alle Frischluftfans. Foto: Phil Pham
Obwohl das Laufen ja nur eine einzige, klar definierte Bewegungsform darstellt, kann man dieses auf sehr unterschiedliche Weise und mit sehr unterschiedlichen Zielen ausüben. So laufen manche nur deshalb, weil sie gesund leben und eine gute Fitness erzielen möchten. Andere betreiben dies mit wettkampforientierten Ambitionen und wollen ihre Zeiten verbessern. Daher ist es wichtig, Stoffwechselbereiche beim Laufen zu kennen und in den richtigen Bereichen zu trainieren, denn mit unterschiedlichem Training lassen sich auch ganz unterschiedliche Ziele realisieren.

Dazu gibt es im Internet und in der Literatur zahlreiche Tipps, die mit teils sehr werbewirksamen, modern klingenden Namen unterlegt werden und mitunter ganz schön verwirrend sein können. Gerade im Spitzensportbereich sind neue Trainingsprinzipien allerdings sehr wichtig, da man mit zielgenauen, dem jeweiligen Saisonzeitpunkt und den Stärken und Schwächen des Sportlers angepassten Training in Kombination mit Ernährung sicher die ein oder andere Leistungssteigerung herauskitzeln kann. Für den „Hobbyläufer“ reicht es dagegen zunächst meistens aus, die zentralen Grundprinzipien zu kennen. Oft stellt sich ohnehin heraus, dass vieles, was man in den genannten Quellen so liest, letztlich doch immer wieder auf den gleichen Nenner zurückkommt, nämlich eine sinnvolle Verteilung aerober und anaerober Trainingsanteile in Abhängigkeit von den angestrebten Zielen.

Auf den molekularen Hintergrund dieser beiden zentralen Stoffwechselwege der muskulären Energiegewinnung bin ich bereits ausführlich schon beim Thema Leistungsdiagnostik eingegangen. (>> Mehr erfahren: vo2max - einfach erklärt) Im Folgenden geht es darum, wie man aerobes and anaerobes Training gezielt zum Erreichen seiner Ambitionen beim Laufen einsetzt.

Laufen - der Klassiker unter den Ausdauersportarten (aerobes Training)

Die meisten Läufer*innen würden mir wohl zustimmen, dass Laufen zunächst einmal eine klassische Ausdauersportart ist. Dies bedeutet, dass in aller Regel der aerobe Trainingsbereich im Zentrum unserer Bemühungen steht. Dieser liefert dem Muskel sehr viel Energie und kann auch exzellent trainiert werden, so dass man den Übergang in den anaeroben Bereich und damit die anaerobe Laktatschwelle stetig in höhere Geschwindigkeiten verschiebt und damit in Relation zur Herzfrequenz stetig schneller wird. Gute Marathonläufer mit Zielzeiten unter 3 Stunden haben stets eine exzellente Grundlagenkondition und überschreiten die anaerobe Schwelle im Leistungstest erst in Bereichen, in denen manch Freizeitläufer schon tief im Laktat steht und daher aufhören muss.

Lange Läufe - Training im aeroben Bereich

Zwei Läufer in einer modernen urbanen Umgebung
Lang läuft's sich am besten im anaeroben Bereich und für das Entertainment zu zweit. Foto: Phil Pham
Daran sieht man aber bereits, für welche Läufer*innen der aerobe Trainingsbereich besonders wichtig ist, nämlich für die „Langdistanzler“ unter uns, vor allem in Richtung Marathon und Ultramarathon. Ausdauertraining ist für jeden Läufer essenziell, aber spätestens ab Distanzen von 10 km muss dieses definitiv einen großen, beim Ultramarathon sogar den nahezu alleinigen Anteil des Trainings ausmachen. Allerdings gibt es selbst im aeroben Bereich noch Trainingsunterschiede, nämlich für sehr lange Einheiten ab ca. 10-15 km bzw. 60-90 min aufwärts und für mittlere Einheiten zwischen 5-10 km bzw. 30-60 min (ACHTUNG: dies sind nur allgemeine Zahlen, je nach Trainingszustand sind die genannten Distanzen jeweils kürzer oder länger).

Grundlagenwissen zum Fettstoffwechseltraining oder GA1

Für lange Einheiten strebt man demnach ein mehr oder weniger reines aerobes Training an, was im Wesentlichen beim regenerativen (niedrigste Zone auf den gängigen Pulsuhren = Zone 1) und beim Fettstoffwechseltraining (Zone 2) der Fall ist. Hier werden explizit die Fettsäuren angesprochen, die sehr ergiebig Energie liefern und auch nur langsam verbrannt werden. Manche nennen diesen Bereich auch GA1 (Grundlagenausdauerbereich 1) oder zumindest „unterer GA1“, dies ist aber unterschiedlich und umstritten. Allerdings macht ein reines Fettstoffwechseltraining langfristig auch nur bedingt Sinn. Zum einen wird man ab einem gewissen Trainingsumfang keine neuen Reize mehr setzen, also die Ausdauer vorwiegend stabilisieren. Zudem sind gerade bei langen Distanzen die Fettsäuren irgendwann auch verbraucht und man muss sehr aufpassen, dass man dann nicht mehr genügend Kohlenhydrate zur weiteren Energiegewinnung zur Verfügung hat.

Dies macht ein aerobes Training auch im beginnenden Kohlenhydratbereich wichtig, in den bereits erste kleine anaerobe Reize eingestreut sind - der eigentliche GA1-Bereich oder „oberer GA1“ und der wohl wichtigste Bereich für den Freizeitläufer mit mittleren Wettkampfdistanzen bis Halbmarathon (Zone 3). (Der Muskel wird hier ganz besonders zur Bildung neuer Mitochondrien und damit zum weiteren Ausbau des aeroben Bereichs angeregt. Solche Einheiten werden in einem mittleren, gleichbleibenden Tempo gelaufen und dauern in der Regel 45-60 min bzw. zwischen 5-15 km. Durch ein Training in diesem Bereich wird der Laktatanstieg verzögert und die anaerobe Schwelle verschiebt sich in höhere Tempi.

Intervalltraining: Der Tempomacher für Läufer*innen.

Ein Mann läuft in hohem Tempo durch eine städtische Szene.
Bei schnellen Intervallen kommt der anaerobe Trainingsimpuls ins Spiel. Foto: Phil Pham
Die bis jetzt genannten aeroben Bereiche bilden die Grundlage des Lauftrainings und sind besonders auch als stetige Basis außerhalb der Wettkampfsaison wichtig. In der näheren Vorbereitung auf Laufveranstaltungen wird ein Intervalltraining mit Einbezug anaerober Bereiche je nach angestrebter Distanz zunehmend wichtiger. Dabei bezeichnet „Intervalltraining“ einen Wechsel von Trainingsphasen im Grundlagenbereich mit kurzzeitigen höheren Intensitäten und dem Ziel, das Grundlagentempo allmählich zu erhöhen oder sich ans letztliche Wettkampftempo heranzutasten. Für den reinen Gesundheitssportler ohne Wettkampfambitionen hat dies aber durchaus auch eine Bedeutung, denn es ermöglicht eine Trainingsabwechslung und eine Stärkung auch höherintensiver Belastungsbereiche.

Intervalle lassen sich im oberen Grundlagenbereich (GA2; Zone 4 auf den Uhren), im Schwellen- oder Entwicklungsbereich sowie im Spitzenbereich (als Zone 5 zusammengefasst) einstreuen. Intervalle im oberen Grundlagenbereich sind, wie der Name sagt, noch für eine Anhebung des Ausdauerniveaus in der Laufvorbereitung wichtig, haben aber schon einen höheren anaeroben Anteil und werden deshalb auch nicht mehr durchgehend gelaufen. Je nach Trainingszustand streut man diese nach dem Warmlaufen z.B. für 5-15 min ein. Anaerobe Intervalle sind dagegen noch kürzer (je nach Intensität zwischen 1-5 min) und gewöhnen die Muskulatur an eine Laktatbelastung, die dann entsprechend auch länger im Wettkampf toleriert werden kann. Dies kann man bis zu 4-5x pro Einheit machen. In den letzten 1-2 Wochen vor einem Lauf wird man dies aber wieder etwas zurückfahren, um die Muskulatur wieder etwas zu schonen und eine ausreichende Regeneration vor dem Wettkampf zu ermöglichen.

Es muss betont werden, dass die beschriebenen Bereiche und Regeln hier nur ganz allgemein dargestellt werden können und natürlich eine individuelle Anpassung an jeweilige Ziele und Trainingszustände wichtig ist, die zu teils deutlichen Abweichungen der genannten Zeiten und Distanzen führen können.

Einige Grundregeln lassen sich aber für die meisten Freizeitläufer*innen zusammenfassen:

  • Trainiert man überwiegend aerob, wird man mittelfristig im anaeroben Bereich Leistung verlieren, umgekehrt verliert man bei vorwiegendem Intervalltraining über kurz oder lang immer etwas Grundlagenausdauer.

  • Orientierend kann man sagen, dass der aerobe Trainingsanteil ca. 70-80% ausmachen sollte, entsprechend der anaerobe Intervallanteil 20-30%, je nach Saisonzeitpunkt und anstehenden Läufen.




Unser Gastautor// Prof. Dr. med Axel Preßler

Prof. Dr. med Preßler ist einer der renommiertesten Experten für Sportkardiologie in Europa. Der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie war bis zur Eröffnung seiner eigenen Praxis elf Jahre lang Oberarzt im Zentrum für Prävention und Sportmedizin der Technischen Universität München. Er hält regelmäßig Vorträge vor nationalem und internationalem Publikum und veröffentlicht wissenschaftliche Beiträge auf seinem Spezialgebiet Herz und Sport. Er joggt, fährt Mountainbike und schwimmt gerne.

Termin vereinbaren? Hier geht es zur Privatpraxis von Prof. Dr. med Axel Preßler in Bogenhausen, München.