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Lawinen-Ausrüstung: Die Expertentipps zu LVS & Co.

LVS-Gerät, Schaufel und Sonde gehören im winterlichen Gebirge mit auf Tour. Der Schuster-Experte erklärt die Unterschiede und gibt Tipps zur Anwendung.

von INGO WILHELM

Eine Person sucht Signale mit einem Diract LVS-Gerät.
Foto: Ortovox / Max Draeger

Im Winter herrscht im Gebirge Lawinengefahr – und zwar nicht nur auf Skitouren oder beim Freeriden. Auch Schneeschuhgeher:innen und Winterwanderer:innen sollten sich dieser Gefahr bewusst sein. Wer sich außerhalb gesicherter Skipisten oder offiziell freigegebener Winterwanderwege bewegt, sollte deshalb zwei Dinge mitbringen:

  • Lawinen-Know-how. “Die Thematik ist komplex. Deshalb holt man sich das nötige Wissen idealerweise bei einem entsprechenden Kurs”, betont Schuster-Experte Ernst.
  • Die entsprechende Lawinen-Ausrüstung. Darum geht es in diesem Blogartikel. Ernst erklärt, was im winterlichen Gebirge mit auf Tour muss – und worauf Du beim Kauf achten solltest.

Die 3 wichtigsten Elemente der Lawinen-Ausrüstung 

Ambitionierte Wintersportler:innen können den Schutz vor Lawinen durch Zusatzausstattung erhöhen. Dazu gehört zum Beispiel ein Lawinenairbag-Rucksack. >> Ratgeber über Skitouren-Rucksäcke

In diesem Beitrag hier geht es um die Grundausstattung. Dazu stellt Ernst klar: “Ohne die folgenden drei Ausrüstungs-Gegenstände sollte sich im verschneiten Gebirge niemand im freien Gelände bewegen”:



“Diese drei Geräte braucht jede Tiefschneesportlerin und jeder Tiefschneesportler”, betont Ernst. “Deshalb bieten verschiedene Hersteller sie in Dreiersets an. So ein LVS-Set kommt billiger, als wenn man jedes Gerät einzeln kauft.”

Aber warum benötigt man eigentlich diese Ausrüstung? Wird man im Fall einer Lawine nicht von der Bergwacht gerettet?

“Ein Verschütteter muss möglichst schnell, mindestens innerhalb von 15 Minuten ausgegraben werden. Danach sinkt die Überlebenschance massiv ab, weil dem Verschütteten der Sauerstoff ausgeht und er erstickt. Bis professionelle Helfer am Unglücksort sind, vergeht in der Regel weit mehr als eine Viertelstunde”, erklärt Ernst. “Deshalb gibt es keine Alternative zur sogenannten Kameradenrettung. Das heißt: Der Verschüttete muss von Tourenbegleitern im Lawinenschnee gefunden und ausgegraben werden. Dazu benötigt man eben das LVS-Gerät, die Sonde und die Schaufel. Und das erklärt übrigens auch, warum man nicht alleine auf Ski- oder Schneeschuh-Tour gehen sollte.”

Ernst Söllner, Schuster-Experte für LVS Geräte
Unser Experte: Ernst arbeitet seit mehr als 15 Jahren als Verkaufsberater in der Bergsportabteilung im Sporthaus Schuster und leitet Lawinenkurse bei der Bergschule Oberallgäu.

So funktionieren LVS-Geräte

Im Prinzip senden LVS-Geräte ein Signal aus, das von anderen LVS-Geräten empfangen werden kann. Dazu gibt es zwei Funktionsmodi: Senden und Empfangen. “Im Normalfall haben alle Tourenteilnehmer ihren Lawinen-Piepser im Sendemodus”, erklärt Ernst. “Sollte eine Lawine abgehen und jemanden verschütten, schalten die Nichtverschütteten auf Empfang und nehmen die Ortung auf.”

Digitale Geräte, wie sie heute Standard sind, führen nicht nur durch ein akustisches Signal zum/zur Verschütteten, sondern zeigen in einem Display auch Richtungspfeile und die Entfernung zum Sender an.

“Die Firma Ortovox hat darüber hinaus ein Gerät mit Sprachsteuerung entwickelt”, so Ernst. “Es gibt also stimmliche Kommandos, wie man bei der Suche vorgehen soll. Diese zusätzliche Hilfestellung kann insbesondere für Anfänger in der Stresssituation einer Verschüttetensuche angenehm und wirkungsvoll sein. Außerdem empfiehlt sie sich für Menschen mit sehr schlechten Augen, die das Display mit den Richtungspfeilen nicht ablesen können.”

Profitipp von Ernst:

“Jedes LVS-Gerät ist nur so gut, wie der Mensch, der es bedient. Es ist deshalb enorm wichtig, die Suche regelmäßig zu trainieren. Also mindestens zu Saisonbeginn, besser noch alle paar Wochen, zum Beispiel vor einer gemeinsamen Tour.” 

Wichtige Begriffe bei LVS-Geräten

3-Antennen-Technologie: “Zeitgemäße LVS-Geräte arbeiten mit drei Antennen und ermöglichen dadurch eine schnelle und präzise Ortung des Verschütteten”, erklärt Ernst und betont: “Ältere Ein- oder Zwei-Antennen-Geräte sollte man nicht mehr verwenden, weil die Suche damit erheblich länger dauert. So geht lebensrettende Zeit verloren.”

Reichweite: Dieser Begriff steht für die maximale Entfernung, in der ein LVS-Gerät Signale von anderen Lawinen-Piepsern empfangen kann. “Je größer diese Empfangs-Reichweite, desto schneller kann ich als Suchender in die zielgerichtete Suche übergehen.” Die Hersteller geben für ihre Geräte Reichweiten von bis zu 80 Metern an. LVS-Geräte-Tests wie der vom Deutschen Alpenverein zeigen die tatsächlichen Reichweiten. 

Koppellage: Im konkreten Fall hängt die Reichweite auch von der sogenannten Koppellage ab. Dieser Begriff umschreibt, in welcher Position sich das sendende und das suchende LVS-Gerät zueinander befinden. Im Idealfall (x-Koppellage) stehen die Geräte parallel zueinander, im schlechtesten Fall (z-Koppellage) befinden sich die Geräte maximal verdreht zueinander. “Da ich als Suchender keinen Einfluss darauf habe, wie das sendende Gerät in der Schneedecke liegt, kann ich an der Koppellage nichts ändern”, sagt Ernst. “Das Phänomen erklärt aber, warum sich die Suche bei gleicher Entfernung manchmal einfacher und manchmal schwieriger gestaltet.”

Grafik von drei möglichen Koppellagen bei LVS-Geräten.
Die Illustration zeigt die drei möglichen Koppellagen von LVS-Geräten. Am schwierigsten gestaltet sich die Suche bei einer Z-Koppellage.

Profitipp von Ernst:

 “Beim Einschalten zeigen LVS-Geräte den Ladestand der Batterien an. Er sollte zu Beginn der Tour bei mindestens 50% liegen. Zur Sicherheit habe ich immer Ersatzbatterien im Rucksack.” 

Der Stand der Technik bei Lawinen-Piepsern 

Zwei wichtige Merkmale von zeitgemäßen LVS-Geräten haben wir bereits genannt: Sie sind digital und haben drei Antennen. Darüber hinaus haben Lawinen-Piepser heute mehr oder weniger Zusatzfunktionen, die die Sicherheit auf Skitour oder beim Winterwandern erhöhen können.


Gruppencheck: “Bevor eine Gruppe in den Tiefschnee startet, sollte sie testen, ob alle Geräte ordnungsgemäß senden und empfangen können”, erklärt Ernst. “Viele Geräte führen die Nutzer durch Anweisungen auf dem Display durch diesen systematischen Gruppencheck hindurch.”

Markier-Funktion: Wenn mehrere Personen verschüttet sind, müssen das Gerät und der/die Suchende mit mehreren Signalen umgehen. Das wird durch die Markier-Funktion erleichtert, wie Ernst erklärt: “Hat man einen Verschütteten nicht nur mit dem LVS, sondern auch mit der Sonde lokalisiert, drückt man die Markiertaste. Dadurch blendet das eigene Gerät das Signal dieses Verschütteten aus. So kann man sich auf die Suche nach weiteren Verschütteten konzentrieren, während andere Teilnehmer den mit der Sonde lokalisierten Verschütteten ausgraben.”

Umkehrfunktion: Sie zeigt an, wenn ein:e Suchende:r auf der Signallinie (“Feldlinie”) in die falsche Richtung läuft, und vermeidet dadurch den sogenannten 180-Grad-Fehler.

Automatische Sendeumschaltung: Für den Fall, dass eine suchende Person von einer Nachlawine verschüttet wird, schalten viele Geräte nach einer gewissen Zeit automatisch wieder vom Empfangs- in den Sendemodus zurück. Ernst: “Je nach Hersteller und Modell ist das eine Standardfunktion, oder sie lässt sich am Gerät oder in der Begleit-App ein- oder ausschalten.”

Handy-Apps: Vor allem der Hersteller Pieps bietet eine umfangreiche Begleit-App zum LVS-Gerät an. Damit lassen sich nicht nur individuelle Einstellungen vornehmen, sondern auch die wichtigen Software-Updates.

LVS-Geräte im Vergleich 

Im Sporthaus Schuster führen wir LVS-Geräte der führenden Hersteller Mammut, Ortovox und Pieps. Alle Modelle sind digital, arbeiten mit drei Antennen und verfügen über eine Markier-Funktion. Die Unterschiede liegen vor allem in technischen Details und in der Ausstattung mit Zusatzfunktionen.


Mammut Barryvox S  

Das Top-Modell von Mammut bietet eine Reichweite von bis zu 70 Metern und eine sehr gute Benutzer:innenführung während der Suche. Eine zusätzliche Analog-Funktion macht es vor allem für erfahrene Nutzer:innen interessant. Außerdem lässt sich das Barryvox S vielfältig individuell konfigurieren.


Mammut Barryvox  

Der kleine Bruder aus dem Hause Mammut hat eine gleich hohe Reichweite von bis zu 70 Metern und die gleich gute Benutzer:innenführung wie das Topmodell. Es verfügt jedoch über weniger Zusatzfunktionen und eignet sich daher auch für Einsteiger:innen. Dieser Lawinen-Piepser mit dem attraktiven Preis bekommt seit Jahren Bestnoten in zahlreichen LVS-Geräte-Tests.

Profitipp von Ernst:

“Sowohl beim Senden als auch beim Empfangen können elektronische Geräte das Signal stören. Deshalb sollte man bei Handys oder Kameras auf einen Abstand zum LVS-Gerät von mindestens 50 cm achten.” 

Pieps Pro IPS

Zum Winter 2023/24 hat die österreichische Marke Pieps dieses neue Top-Modell herausgebracht. Neben einer sehr guten Benutzer:innenführung zeichnet es sich durch eine verbesserte IPS-Technologie aus. Das “Interference Protection System” filtert den Einfluss von Störsignalen heraus, trennt überlagernde LVS-Signale noch besser voneinander und erleichtert dadurch die Suche. Die ausklappbare Antenne erhöht die Reichweite – laut Pieps liegt sie bei bis zu 80 Metern.

Pieps Pro BT 

Das bewährte Profi-Gerät aus dem Hause Pieps bietet eine Reichweite von bis zu 70 Metern und zahlreiche Zusatzfunktionen wie etwa einen Vibrations-Alarm beim ersten Signalempfang sowie einen erweiterten Gruppencheck. Das Display ist sehr gut ablesbar und die Bedienung auch mit Handschuhen einfach. Wie alle Pieps-Geräte ist es Bluetooth-fähig und erlaubt dadurch auch Software-Updates über die App. 

Pieps Powder BT 

Der kleine Bruder des Profi-Geräts bietet die gleich gute Reichweite, Benutzer:innenführung und Konnektivität, verzichtet aber auf Extras wie den Vibrations-Alarm und den erweiterten Gruppencheck. Einsteiger:innen, die ein schnörkelloses, aber zuverlässiges und einfach zu bedienendes LVS-Gerät suchen, machen mit diesem Lawinen-Piepser nichts falsch. 

 

Profitipp von Ernst:

“Ein LVS-Gerät trägt man idealerweise im mitgelieferten Tragesystem – und zwar nicht über der Jacke, sondern über einer tieferen Bekleidungsschicht, damit man das Gerät beim Umziehen möglichst nicht ablegen muss. Wenn man den Lawinen-Piepser in einer Tasche tragen möchte, dann nur in Taschen mit Reißverschluss. Aufgenähte oder nicht verschließbare Taschen sind tabu.”

Ortovox Diract/Diract Voice

LVS-Geräte von Ortovox verfügen über die Smart-Antenna-Technologie. Sie schaltet je nach Position des Geräts auf die günstiger gelegene Antenne um, was das Auffinden erleichtern soll. Als Reichweite des jüngsten Modells mit dem Namen Diract gibt Ortovox bis zu 50 Meter an. Optional gibt es eine Sprachsteuerung (“Diract Voice”), die vor allem weniger Geübten die Verschüttetensuche sehr erleichtert. Praktisch: Der integrierte Akku lässt sich via USB-C-Kabel aufladen.

>> Entdecke das Ortovox Diract im Webshop

>> Entdecke das Ortovox Diract Voice im Webshop

 

Welches LVS-Gerät für wen? 

“Bei Mammut und Pieps gibt es Topgeräte sowie abgespeckte Geräte mit gleich guter Suchperformance”, fasst Ernst den LVS-Geräte-Vergleich zusammen. “Für Otto-Normal-Wintersportler genügen die kleinen Brüder vollauf. Die vielen Features und Einstellungsmöglichkeiten der Profigeräte könne technisch weniger Versierte sogar überfordern.”

Daraus ergibt sich seine Empfehlung:

LVS-Geräte für Techies und Profis (Bergführer:innen, Bergretter:innen …): Mammut Barryvox S, Pieps Pro IPS und Pieps Pro BT.

LVS-Geräte für weniger technisch affine Wintersportler:innen sowie für Einsteiger:innen: Mammut Barryvox, Pieps Powder BT und Ortovox Diract Voice.

Profitipp von Ernst:

“Wird das LVS-Gerät länger nicht benutzt, sollte man die Batterien herausnehmen. Vor jedem Saisonstart unbedingt die Funktionen checken und ggf. ein Software-Update vornehmen (lassen)! Im Sporthaus Schuster bieten wir einen kostenlosen LVS-Check an.” 

Eine Skitourengeherin klappt die Lawinensonde aus.

Die Lawinensonde ist oft das essenzielle Hilfsmittel um lebenswichtige, kostbare Minuten zu sparen.

Foto: Ortovox

Darauf solltest Du bei der Lawinensonde achten 

Neben dem LVS-Gerät gehört eine spezielle Sonde zur unverzichtbaren Lawinen-Ausrüstung. “Die in Dreiersets enthaltenen Lawinensonden sind hochwertig und passen gut zu den anderen beiden Geräten”, sagt Ernst.

Solltest Du eine Lawinensonde einzeln kaufen, empfiehlt der Schuster-Experte:

  • Eine Lawinensonde sollte mindestens 220 cm lang sein.
  • Carbonsonden sind etwas leichter als Aluminiumsonden.
  • Vor allem aber sind Carbonsonden steifer und tun sich dadurch leichter, harten und eisigen Schnee zu durchdringen.
  • Zeitgemäße Lawinensonden haben einen Schnellverschluss, der den Stab nach dem Ineinanderstecken der Elemente fixiert und der sich auch mit Handschuhen leicht bedienen lässt.

>> hier findest Du Lawinensonden

Profitipp von Ernst:

“Die heutigen LVS-Geräte sind so gut, dass selbst Anfänger damit zügig einen Verschütteten finden. Es hat sich aber gezeigt, dass insbesondere beim Schaufeln viel lebenswichtige Zeit verloren geht. Neben der richtigen Technik sollte man deshalb nicht an einer Schaufel sparen.” 

Zwei Personen graben mit Lawinenschaufeln im Schnee.

Mit der Lawinenschaufel können große Schneemengen effektiv bewegt werden. So erreicht man schnell die verschüttete Person.

Foto: Mammut

Die Unterscheide bei Lawinenschaufeln 

Eine Lawinenschaufel rundet die grundlegende Lawinen-Ausrüstung ab. Schaufeln mit Kunststoff-Blatt kommen für Ernst nicht mehr in Frage: “Sie sind nicht stabil genug, um den teils steinhart komprimierten Lawinenschnee zu durchdringen. Deshalb sind heute Schaufeln mit einem Blatt aus gehärtetem Aluminium eigentlich Pflicht.”

Je nach Einsatzbereich unterscheidet Ernst drei Arten von Lawinenschaufeln:

  • Für Freerider:innen oder Skitouren-Racer:innen mit kleinem Rucksack kommt eine besonders leichte Schaufel wie die Black Diamond Transfer LT in Frage. Bei hartem oder eisigem Lawinenschnee kann sie jedoch an ihre Grenzen kommen.
  • Für die Mehrzahl der Skitourengeher:innen oder Schneeschuh-Wanderer:innen empfiehlt sich eine solide Allround-Schaufel wie die Ortovox Pro Alu III. Sie ist stabil genug für jede Art von Schnee und lässt sich zudem zu einer Art Hacke umbauen, mit der sich der Schnee schneller wegschaufeln lässt.
  • Für Bergprofis oder Kicker-Bauer:innen eignet sich eine besonders effektive Schaufel wie die Ortovox Kodiak. Neben einem geschärften Schaufelblatt verfügt sie über eine Hackfunktion und einen besonders handlichen D-Griff.

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Fazit: Mehr Sicherheit durch die richtige Lawinen-Ausrüstung

Ohne LVS-Gerät, Sonde und Schaufel sollte man sich nicht in lawinengefährdetes Gelände begeben. Die Technik der Geräte ist so weit entwickelt, dass auch Anfänger:innen damit gut zurechtkommen und im Notfall Leben retten können. “Eine Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man mit seiner Lawinen-Ausrüstung auch in Stresssituationen umzugehen weiß”, betont Ernst. “Deshalb kann ich nur noch einmal empfehlen, einen Lawinenkurs zu absolvieren und die Anwendung immer wieder zu üben.”